Langlebigkeit von Hüftgelenkprothesen
Ansätze zur Optimierung der Langlebigkeit von Hüft- und Kniegelenkprothesen
15.09.2022
Es ist ratsam, dass Personen, die ein Gelenkimplantat tragen, sich idealerweise jeden Tag ihrer physischen Leistungsfähigkeit widmen, indem sie Stärke, Flexibilität, Gleichgewichtssinn und Kondition schulen und darüber hinaus ihr Körpergewicht durch eine proteinreiche Ernährungsweise überwachen.
Die Beständigkeit von Hüft- und Kniegelenkersatz kann durch unzureichende physische Aktivität sowie eine Zunahme des Körpergewichts (Adipositas) signifikant gemindert werden. Ein untrainiertes muskuloskelettales System (Muskeln, Bänder, Sehnen) birgt nämlich eine erhöhte Gefahr des Stolperns und Fallens. Zudem erhöht sich das Risiko einer Dislokation (des Herausrutschens des Gelenkersatzes), falls eine schwache Muskulatur die Prothese nicht mehr adäquat stabilisieren kann.
Des Weiteren fördern eine unsachgemäße oder exzessive Beanspruchung des Gelenkersatzes dessen beschleunigte Abnutzung. Die Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik e.V. empfiehlt Trägern eines Kunstgelenks aus diesem Grund ein regelmäßiges (bestenfalls tägliches) und spezifisches Training der Muskelstärke, Gelenkflexibilität, des Gleichgewichtssinns und der allgemeinen Kondition, begleitet von einer Regulierung des Körpergewichts durch eine proteinreiche Kost. Diese Vorgehensweise wird als entscheidende Bedingung für eine dauerhafte Beständigkeit des Implantats angesehen. Die ehemals verbreitete Annahme, dass eine moderate tägliche Bewegung zur Überbeanspruchung eines Kunstgelenks führen könnte, hat sich als nicht mehr aktuell erwiesen. Die aktuellen Materialien (Werkstoffe) sind heutzutage deutlich beständiger und widerstandsfähiger als in der Vergangenheit.
Nach einer Veröffentlichung in "Lancet" (vom 16. Februar 2019) verbleiben sechs von zehn Hüftprothesen für einen Zeitraum von mindestens 25 Jahren funktionsfähig. Die Optimierung der Implantat-Werkstoffe und -Designs sowie die Etablierung patientenfreundlicherer Operationsverfahren haben hierzu maßgeblich beigetragen. Allerdings stellen diese Aspekte nur eine Facette des gesamten Gelingens dar. „Ein Implantat erfordert auch nach der OP lebenslange Pflege und Aufmerksamkeit“, legt Prof. Dr. med. Carsten Perka dar, welcher als Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Endoprothetik e.V. sowie als Ärztlicher Direktor des Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie (CMSC) an der Charité – Universitätsmedizin Berlin tätig ist. Obwohl das medizinische Fachpersonal das neue Gelenk implantiert, erbringen die Patientinnen und Patienten einen vergleichbar hohen – mitunter sogar noch gewichtigeren – Beitrag zum Erfolg: „Die Lebensweise der Patienten bestimmt mit, ob frühzeitig eine Folgeoperation notwendig wird.“ Der spezialisierte Orthopäde und Unfallchirurg konstatiert hierzu: „Während wir früher Wechseloperationen wegen Überlastung der Endoprothesen durchgeführt haben, ist heute immer mehr eine verminderte körperliche Aktivität der Grund.“ Dies kann zu rezidivierenden Dislokationen des Hüftgelenks, Unsicherheiten im Kniegelenk sowie zu Fällen infolge von Schwierigkeiten bei der Balance und Bewegungskoordination führen.
„Wir haben den Eindruck, dass sich ein Teil unserer Patientinnen und Patienten während der Corona-Pandemie weniger bewegt hat. Wir sehen viele steife Gelenke und verkürzte und schwache Muskeln“, äußert Perka. Möglicherweise ist auch das obsolete (alte) Dogma der Schonung des künstlichen Gelenks noch zu tief in den Köpfen der Betroffenen verankert. Die natürliche Seneszenz (der Alterungsprozess) trägt zudem zur Verschärfung dieses Problems bei, da der menschliche Organismus etwa ab dem dritten Lebensjahrzehnt damit beginnt, Muskelmasse in adipöses Gewebe umzuwandeln. Wird diesem physiologischen Abbau der Muskelmasse, bekannt als Sarkopenie, nicht aktiv begegnet, kann der Organismus im Zeitraum zwischen dem dritten und fünften Lebensjahrzehnt einen Verlust von rund 50 Prozent seiner gesamten Muskelmasse erleiden. „Frauen sind davon noch stärker betroffen als Männer – sie müssen besonders aufpassen“, hebt Perka hervor. Insbesondere in Verbindung mit porösen Knochen (Osteoporose) vergrößert sich bei einem Sturz das Potenzial, schwerwiegende Knochenbrüche und weitere Traumata zu erfahren. Aus diesem Grund ist es von entscheidender Bedeutung, alle vier fundamentalen Säulen der körperlichen Leistungsfähigkeit – nämlich Stärke, Flexibilität, Gleichgewichtssinn und Kondition – gezielt zu kultivieren und wenn möglich täglich zu üben. „Auch kurze Bewegungseinheiten sind nützlich“, fügt Perka hinzu.
Von vergleichbarer Bedeutung ist die Kontrolle des Körpergewichts. Dazu erklärt Perka: „Es sind vor allem die Gelenke, die das Plus an Körpergewicht tragen müssen und damit auch die Prothesen“. Das Vorhandensein von Übergewicht kann die Bewegungsfähigkeit buchsläblich beeinträchtigen, was auch von Prof. Dr. med. Andreas M. Halder, dem Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC), bekräftigt wird. Gemäß einer kürzlich publizierten Untersuchung der Else Kröner-Fresenius-Stiftung (EKFS) verzeichnete ein beträchtlicher Teil der Patientinnen und Patienten während der Corona-Pandemie eine Zunahme ihres Körpergewichts. Die Probanden, welche an Gewicht gewonnen haben, zeigen demnach im Mittel ein um circa 6,5 Kilogramm höheres Gewicht als vor Ausbruch der Pandemie – was auch eine Steigerung im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Ferner tendieren viele Personen dazu, mit fortschreitendem Alter (ab der Lebensmitte) an Körpergewicht zuzulegen. Oftmals sind diese Entwicklungen auf hormonelle Schwankungen und einen Rückgang der physischen Aktivität zurückzuführen. Dies resultiert im Abbau von Muskelmasse sowie in einer gleichzeitigen Anreicherung von Fettgewebe (Adipositas). Aus diesem Grund ist eine vielfältige, vorzugsweise mediterrane und proteinreiche Ernährungsweise als optimal anzusehen. Senioren fordern für den Muskelaufbau einen höheren Proteinanteil in ihrer Nahrung als jüngere Menschen. „Um es besser aufnehmen zu können, sollte man es über den Tag verteilt aufnehmen“, empfiehlt Perka nachdrücklich.
„Patients can help themselves by preparing for surgery!” äußerte einst Sir John Charnley, der britische Chirurg und Orthopäde, welcher als Pionier der Hüftendoprothetik gilt. Diese Aussage ist gleichermaßen relevant für das Dasein mit einem künstlichen Gelenk, wie Privatdozent Dr. med. Stephan Kirschner, der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Endoprothetik e.V. und Direktor der Klinik für Orthopädie an den ViDia Christlichen Kliniken Karlsruhe, betont: „Nicht nur eine optimale OP-Vorbereitung, etwa mit Rauchstopp und Gehstützentraining ab sechs Wochen vor OP, sondern auch eine lebenslange Fürsorge für das eigene Implantat hilft Patientinnen und Patienten, möglichst lange mit dem ersten – und bestenfalls letzten – Ersatzgelenk aktiv zu leben.“
Informationsquelle: Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e. V.
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